Heute soll hier auf dem Scheidemannplatz eine Demonstration von “Kassel Gegen die Islamisierung des Abendlandes” (KAGIDA) stattfinden.
Schon der Aufruf wirkt wie eine wilde Zusammenstellung aller derzeit aktuellen Themen der radikalen Rechten: “Überfremdung”, Unterwanderung des “Abendlandes”, Zerstörung “unserer Kultur”, Sozialleistungen und “unsere Gastfreundschaft“ ausnutzende “Ausländer”. Irgendwie schaffen es die Organisatoren sogar, eine Brücke zum Geschichtsrevisionismus zu schlagen, indem so getan wird, als sei das schlimmste am Nationalsozialismus die Bombardierung Kassels gewesen.
Daraus, dass einen der Islamismus nur so lange stört, wie er sich auf ‚deutschem Boden‘ ausdrückt, macht man keinen Hehl. Man ist einzig erpicht, den hiesigen ‚Frieden‘ zu wahren, die Übergriffe durch Islamisten auf Kurd_Innen werden zu ‚Stellvertreterkriegen‘ und die PKK wird in einer Reihe genannt mit dem IS und Al Kaida. Ohne jede Differenzierung gibt es für KAGIDA damit einfach nur irgendwelche vermeintlichen ‚Ausländer‘, die die deutsche Harmonie und Gemeinschaft stören.
Die obligatorische Abgrenzung von rechts entlarvt sich damit wie auch schon bei allen ähnlichen Aufmärschen der letzten Wochen als bloßes Lippenbekenntnis.
Anmelder und Organisator von KAGIDA ist Michael Viehmann. Viehmann hatte zuletzt seinen Job verloren, nachdem bekannt wurde, dass er die Anreise der KasselerInnen zu den HoGeSa-Aufmärschen in Köln und Hannover mitorganisiert hatte. Den Großteil seiner Mitreisenden stellten rechte Fans des Kasseler Sportvereines KSV. Während von offizieller Seite, wie durch die Polizei, sowie den Fan-Sozialarbeiter, rechte Strukturen innerhalb der Fankurven geleugnet oder relativiert werden, wie geschehen im HNA-Interview vom 30.10., zeugt eine Fülle an Vorfällen vom Gegenteil. Um nur einen von zahlreichen Vorfällen zu nennen:
Im Mai 2013 besuchten etliche KSV-Hooligans ein von der Polizei aufgelöstes Rechtsrockkonzert der Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ im Thüringischen Sollstedt. Nach der Auflösung des Konzerts skandierten die Hools Sprechchöre wie „Hier regiert der KSV“ oder das verbotene Propagandalied der HJ „Ein junges Volk steht auf“.
Jene rechten KSV-Fans, von denen auch heute einige anwesend sind, haben sich 2012 zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um antirassistische Initiativen aus dem Stadion zu drängen.
Trotz angeblicher Distanzierung, wird die heutige Demonstration derweil ausgiebig im HoGeSa-Netzwerk beworben. Personelle Überschneidungen sind eindeutig. Angekündigt hatten sich neben den erwähnten rechten Fußballfans, neonazistische Burschenschafter aus Marburg und Kassel und andere überzeugte Neonazis, darunter NPD-Funktionäre aus Hessen. Diese Melange, welche uns hier gerade gegenübersteht, wird derweil durch vermeintlich ‚besorgte‘ BürgerInnen vervollständigt.
Genau hier liegt das gefährliche Potential des aktuellen Phänomens. Positionen, die ansonsten hauptsächlich durch vermeintlich aber auch tatsächlich marginalisierte Neonazis offen vertreten werden, finden sich nun in kodierter Form auf der Straße wieder, getragen unter anderem durch eine breite bürgerliche Öffentlichkeit. Dass rassistische und nationalistische Ressentiments ihre Wurzeln in der bürgerlichen Gesellschaft haben, ist nicht neu. Die Art und Weise, wie sie sich bereits im vergangen Jahr beispielsweise in Schneeberg ausdrückten und dieser Tage im Zuge von Pegida & Co., stellen allerdings eine neue Qualität dar. Rassistische Diskurse werden enttabuisiert und Neonazis als Agitatoren gesellschaftsfähig. Diese regressiven Umtriebe bekommen zu allem Überfluss auch noch ihre Bestätigung durch die Politik, welche, wie bereits nach dem rassistischen Pogrom in Rostock Lichtenhagen im Jahr 1992, mit restriktiven Gesetzten gegen Geflüchtete reagiert. So, wie aktuell in Dresden geschehen, wo CDU-Ministerpräsident Tillich der Pegida-Forderung nach einer speziellen Polizeieinheit, die sich um vermeintlich kriminelle Geflüchtete kümmern soll, nachkam.
Waren die Initiatoren von HoGeSa noch darum bemüht, es so aussehen zu lassen, als sei nicht prinzipiell der Islam das Feindbild sondern der vermeintlich “radikale Salafismus”, halluzinieren Inititiativen wie KADIGA gleich eine drohende Islamisierung des “Abendlandes” herbei. Der aufgebrachte Mob, der sich gern auch als “Das Volk” verstanden wissen will, konstruiert mit seinem kulturrassistischen Islamhass eine Bedrohung, die so faktisch nicht existiert und schafft einen gesellschaftlichen Diskurs, der jede progressive Religionskritik unmöglich macht. Dabei wäre eine solche sehr wohl angebracht, angesichts der islamistischen Horden, die derzeit über den Nahen Osten herfallen, aber auch in Deutschland Kurd_Innen oder Jüdinnen und Juden bedrohen und angreifen. Dabei muss eine progressive Analyse und Kritik des Islamismus im Mittelpunkt stehen, abseits von rassistischer Hetze, aber auch jenseits von Deutungsmustern, die den IS als vermeintliche ‚Handlanger der Imperialisten‘ verklären. Hier wäre verstärkt eine Linke gefragt, die sich der Gefahr des Islamismus stellt und sich solidarisch zeigt mit den Betroffenen von Kobane über Jerusalem bis nach Herford.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass, obgleich die TeilnehmerInnen der KAGIDA-Demonstration angehalten werden, unter allen Umständen friedlich zu bleiben, nicht davon ausgegangen werden sollte, dass sie sich daran in jedem Fall halten. Sollte die Demonstration heute erfolgreich verhindert oder gestört werden, ist anzunehmen, dass ein hohes Aggressionspotential unter den TeilnehmerInnen vorherrscht. Deswegen solltet ihr euch während und besonders nach der Demonstration in Gruppen bewegen und auf euch und andere achtgeben.
Der heutige KAGIDA-Aufmarsch stellt für Kassel die Generalprobe dar. Die Organisatoren haben bereits Pläne für die folgenden Montage. Es gilt mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich auch in Kassel ein wöchentlicher Aufmarsch der RassistInnen, wie in Dresden etablieren kann.
Keinen Meter für Neonazis und andere RassistInnen!
Für eine progressive Religionskritik!