Über die „Alternative für Deutschland“

Inhaltliche Konstitution einer rechtskonservativen Partei und ihre Verbindungen zur radikalen Rechten in Nordhessen

Gruppe TASK

Als die Alternative für Deutschland (AfD) im Frühjahr 2013 gegründet wurde, ließ sich die Bedeutung der Partei bei den Bundestagswahlen im September nur schwer vorhersagen. Auch wenn die AfD mit ihrem selbstbewussten Auftreten für den 22. September 2013 ein ‘blaues Wunder‘ prophezeien wollte und dabei von vielen noch belächelt wurde, so ist nach dem relativ knapp verpassten Einzug in den Bundestag die Partei und ihre Wählermobilisierung unterschätzt worden.
Die AfD ist ein Zusammenschluss verschiedener euroskeptischer Kleinstparteien, erhielt jedoch großen Zulauf von den Freien Wählern. Dabei ging die AfD aus der Wahlalternative 2013 hervor; ein Bündnis, welches im September 2012 gegründet wurde, um euroskeptische Kleinstparteien zu unterstützen. Dies geschah vor allem über die Facebookseite der Wahlalternative 2013. Besonders die Freien Wähler, welche zum ersten Mal im September 2013 auf Bundesebene antreten sollten, wurden durch die Wahlalternative2013 unterstützt. Die Freundschaft währte jedoch nicht lange. Durch Streitereien ging aus der Plattform, die ursprünglich Parteien unterstützen wollte, eine eigene Partei hervor. Mit der Zielsetzung, den Euro zugunsten einer kleineren Währung aufzulösen, den Euro-Rettungsschirm (ESM) zu beenden sowie nationalstaatliche Entscheidungen zu stärken, indem man der
Europäischen Union Entscheidungsmacht abspreche.

Sarrazin und der Link zur AfD

Die AfD positioniert sich allerdings deutlich weiter rechts als ihrerzeit die Freien Wähler. So veröffentlichte der Ex-Industriepräsident und Mitbegründer der AfD, Hans-Olaf Henkel, auf der Facebookseite der Wahlalternative 2013 eine Laudatio für den von der UN als Rassisten bezeichneten Demagogen Thilo Sarrazin, als dieser den Deutschen Mittelstandspreis erhielt und bezeichnete Sarrazin als „deutschen Widerstandskämpfer“(1). Doch nicht nur Henkel gilt als glühender Verteidiger Sarrazins. Überschneidungen zwischen Sarrazins sozialchauvinistischen Ansichten lassen sich im Parteiprogramm der AfD, unter Umständen in leicht veränderter Form, wie etwa bei der Euro- Politik, bei Bildungsfragen oder dem Elterngeld finden. Hierbei verfolgt die AfD in ihrem Programm Sarrazins Ansatz, das Kindergeld durch eine Kinderpauschale zu ersetzen. Die Kinderpauschale solle jedoch nur der ‘anständigen‘ Mutter zustehen, welche a) im geeigneten Alter ist; b) eine abgeschlossene Berufsausbildung hat und c) in einem festen Arbeitsverhältnis steht(2). Finanzielle Unterstützung sollen demnach nur die Mütter erhalten, die den qualitativen Anforderungen der AfD genügen.

Keine Likes für political Correctness

Die AfD kehrt ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Begriff der ‘political correctness‘ gerne besonders deutlich nach außen. Die in rechtskonservativen Kreisen bis hin zur radikalen Rechten beliebte Phrase der ‚political correctness‘ wird von der AfD abgelehnt. Die Partei stehe entgegen dem politischen und medialen Mainstream für unkonventionelle Meinungen, solange sie nicht – und das musste die Partei noch betonen – gegen das Grundgesetz verstoßen. Gegen die Zuschreibung einer rechtspopulistischen Partei wehrt sie sich jedoch vehement, sie stehe, dem Parteivorstand Bernd Lucke nach, weder rechts noch links. Trotzdem bedient sich die AfD in Sprachgebrauch und politischen Forderungen explizit rechter Propaganda, beispielsweise durch den Spruch „klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“(3). Die AfD scheint zwar Wählerstimmen aus dem rechten Milieu um NPD und Republikaner gewinnen zu wollen, möchte jedoch nicht als die Partei genannt werden, die sie ist.

Sicherlich erstreckt sich die Anhängerschaft der Partei von einem wirtschaftsliberalen über ein wertkonservatives bis hin zu einem extrem rechten Lager. Nicht selten erhält die AfD Aufbauhilfe aus eben diesem. Der wegen Volksverhetzung verurteilte Paul Latussek, einstiger Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, versuchte in Südthüringen einen AfD-Kreisverband aufzubauen(4). Ein weiterer Akteur mit deutlich mehr Einfluss innerhalb der AfD ist Wolfgang Hübner. Im Jahr 2012 verharmloste Hübner die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) indem er die behauptete, der NSU werde von der Migranten-Lobby ausgenutzt, um vom Staat materielle und ideelle Zuwendung zu erhalten(5). Die Verharmlosung der rassistischen Morde durch Hübner sind keinesfalls als Entgleisungen abzutun. Bereits in den 1990er Jahren soll er Kontakt zum damals bereits bekennenden Neonazi Horst Mahler gehabt haben. Auch dem Antisemiten und Ex-CDU-Mitglied Martin Hohmann stand Hübner im Jahre 2003 bei, als dieser in einer Rede in seinem Heimatort vor versammelter, Beifall klatschender Ureinwohnerschaft verkündete, dass die Juden ‘auch Tätervolk‘ seien. Hübner bezeichnete damals die Kritiker*Innen Hohmanns als „Gesinnungsblockwarte“.

Antifeminismus und Homophobie als Ausdruck der Anti-PC Haltung

Auch in der politischen Ausrichtung spielt Hübner eine große Rolle und erfreut sich bei seiner Anhängerschaft große Beliebtheit. Dem lästigen Diktat der political correctness, welche er als Zumutung empfindet, setzt er das Bild einer Partei gegenüber, welche zwar für viele Menschen offen sein soll, allerdings nicht zumSprachrohr für alle werden solle. Darunter dürften seiner Ansicht nach auch homosexuelle Menschen fallen, welche ohnehin als „Minderheit, deren Lobby bestens vernetzt ist“ zu großen Einfluss auf die Medien hätten. Hübner setzt hierbei im Sinne der political incorrectness eine vermeintliche Mehrheit von ‘normalen‘ Menschen einer zu viel Beachtung erhaltenen Minderheit von Homosexuellen gegenüber. Auch das tradierte Rollenbild der Familie aus Mutter, Vater und Kind sei kein antiquiertes Ideal und auch nicht ‘rechts‘, sondern lediglich ‘vernünftig‘. Die heitere Heterofamilie bildet demnach die Basis der Gesellschaft sowie deren Zukunft. Auch hierbei sind explizit antiemanzipatorische Inhalte Teil der dem vermeintlichen Mainstream stolz entgegengehaltenen Anti-PC Meinung.

Sicherlich gibt es innerhalb der AfD auch moderatere Stimmen als Hübner, dieser ist jedoch auch nach der Wahl eine einflussreiche Person bei der politischen Ausrichtung der Partei. Die AfD sei, so heißt es in einem von ihm am 2. Oktober auf Facebook veröffentlichten Papier, eine Volkspartei, welche die ‘kleinen Leute‘ die durch Euro, Globalisierung, Hartz 4 und nicht zuletzt ‘Multikulti‘ negativ betroffen sind, nicht vergisst. Mittlerweile sei die AfD so etabliert, dass sie rechtspopulistische Themen seriös behandeln könne.

In der AfD können sich verschiedene politische Richtungen wiederfinden, von ehemaligen Linkspartei-Protestwähler*Innen über Wirtschaftsliberale bis hin zu rechten Burschenschaftern. Aber auch vormalige Wähler*Innen der Linkspartei scheinen sich von deutschtümelnden Positionen angesprochen zu fühlen, erhielt die AfD schließlich nach der FDP, am zweithäufigsten Zulauf von der Partei “die Linke“(6).

Nachrichten aus der Provinz:
Der Fall Otto Baumann – Von der SPD zur AfD

Eine fehlende Abgrenzung zur Rechten wird auch im Fall des AfD Politikers Otto Baumann aus Witzenhausen deutlich. Der Rechtsanwalt Otto Baumann war bis Mai 2013 Mitglied der SPD im Werra-Meißner-Kreis und zeitweilig sogar Vorsitzender der Witzenhäuser SPD- Stadtverordnetenfraktion.

Baumann ist außerdem seit über 10 Jahren Leiter der Reservisten-Marschgruppe Hürtgenwald. Diese sorgte vergangenes Jahr für Aufsehen, als bekannt wurde, dass sich mindestens drei Personen mit Verbindungen zu rechtsradikalen Strukturen in ihren Reihen aufhielten. Baumann stritt damals ab, von der politischen Gesinnung seiner Kameraden zu wissen.

Im Dezember 2011 enttarnte das Magazin ‚Hessenschau‘ die beiden Neonazis David Rose und Roman Wagemanns in den Reihen der Hürtgenwald-Marschgruppe. Beide gehörten zum harten Kern des Freien Widerstand Kassel (FWKS), sind mehrfach auf Naziaufmärschen gesehen worden und wurden im November 2012 zu hohen Geldstrafen verurteilt(7), weil sie im September 2011 auf frischer Tat ertappt wurden, wie sie das Mahnmal “Die Rampe” und andere Flächen auf dem Uni-Campus sowie das Parteibüro der Linkspartei mit rechten Parolen besprühte. Die beiden wurden nach den Medienberichten aus der Marschgruppe ausgeschlossen.

Von nichts gewusst?

Baumann gab mehrfach an, von den rechten Umtrieben seiner beiden Kameraden nichts gewusst zu haben, obwohl Roman Wagemanns zu Beginn der Ermittlungen von ihm vertreten wurde(8). Damit konfrontiert, hüllt er sich in Schweigen.

Etwa ein Jahr später, im September 2012, berichtete das Magazin ‘defacto‘(9) des Weiteren über den Hauptmann Michael Löbermann, Mitglied der Reservistenkameradschaft Kaufunger Wald, der an mehreren Märschen Baumanns Reservistengruppe teilnahm(10), sich ebenfalls im Umfeld des Freien WiderstandKassel (FWKS) bewegte und 2008 um die Aufnahme in die NPD bemühte; erfolgslos, da er derzeit noch Mitglied der CDU war. Auch von Michael Löbermanns rechter Gesinnung will Baumann nichts gewusst haben. Er empörte sich stattdessen ob der verletzten Privatsphäre seines Kameraden und kritisierte die „eines öffentlichen Senders unwürdige” Berichtserstattung des hessischen Rundfunks(11).

Umstritten auch in der SPD

Nach diesen Enthüllungen wurde Baumann auch in den eigenen Reihen scharf kritisiert. Bernd Iben, Ex-SPD-Stadtverordneter in Witzenhausen bezeichnete ihn als „Militaristen” mit „deutsch-nationaler Gesinnung”, der in der SPD nichts zu suchen habe(12).

Baumann war schon zuvor in die Kritik geraten, als er einen Artikel der neurechten Zeitschrift ‘Zuerst!‘, die als Nachfolger der rechtsradikalen Monatszeitschrift ‘Nation und Europa‘ fungiert, durch den internen Verteiler der Rathauskoalition schickte. Ein Versuch im Mai 2012 ihn aus der SPD auszuschließen, scheiterte.

So unwahrscheinlich es scheint, dass Otto Baumann nichts von den rechten Umtrieben seiner Kameraden gewusst hat, so wenig ist es ein Zufall, dass er sich nach seinem Austritt aus der SPD in den Reihen der AfD niederlässt und dort mit seinen Umtrieben nicht auf Kritik stößt.

Eine weitere Person, die sich von der AfD angezogen fühlt ist Daniel Budzynski, der bereits in der Vergangenheit mehrfach für Aufsehen sorgte als bekannt wurde, als er zeitglich Schriftführer der CDU Nord-Holland in Kassel als auch Aktivist des FWKS war(13). Für die AfD engagierte sich Budzynski nicht nur beim Plakate aufhängen, sondern nahm auch am 18.9.2013 an einer Wahlkampfkundgebung auf dem Kasseler Opernplatz teil. Das Geländer seines Balkons zierten auch lange nach der Bundestagswahl noch AfD-Wahlkampfplakate.

Neoliberale, Konservative, Nazis?

Trotz aller berechtigter Kritik an der AfD und den teils zwielichtigen Gestalten, die sich in ihren Reihen niederlassen, ist unserer Meinung nach an dieser Stelle auch eine Kritik der Kritik an eben jener Partei notwendig.

In letzter Zeit kam es immer wieder vor, dass Wahlhelfer*innen und Parteimitglieder oft aufgrund ihres Engagements in der AfD als Nazis oder Neonazis, die AfD als Nazi- oder Neonazi-Partei bezeichnet und Wahlkampfveranstaltungen von „Nazis raus!”(14)  skandierenden Demonstrant*innen gestört wurden.

Zum einen geht diese Parole am Sachverhalt vorbei, dass es sich nicht um eine nationalsozialistische Partei handelt, zum anderen ist es sowohl problematisch als auch in letzter Instanz gefährlich alles und jede*n ohne fundierte Grundlage als Nazi zu bezeichnen. Je inflationärer mit dem Begriff des „Nazi“ um sich geworfen wird, desto schwieriger wird es, eine treffende Kritik damit zu transportieren.

Letztendlich handelt es sich bei der AfD um eine junge Partei im Wachstum, deren inhaltliche Ausrichtung noch von verschiedenen politischen Strömungen beeinflusst wird. Darunter befinden sich neben einem gewichtigen Teil rechtspopulistischen Gedankenguts aber auch liberalere Kräfte. Dennoch ist die politische Ausrichtung der AfD klar antiemanzipatorisch und wertkonservativ mit fadenscheiniger Abgrenzung nach rechts.

Einzelnachweise
1 
vgl. Kemper 2013, Rechte Euro-Rebellion. S. 11
2 
vgl. ebenda, S. 78 f.
3 
Sueddeutsche Zeitung, 17.04.2013.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/afd-in-bayern-
euro-skeptiker-im-anmarsch-1.1650692-2
4
vgl. Breuer 2013 in: Der Rechte Rand Nr. 142
(Juni/Juli)
5
vgl. Kemper 2013, Rechte Euro-Rebellion. S. 68
6
http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2013-09-22-BT-
DE/analyse-wanderung.shtml
7
http://www.hna.de/lokales/hofgeismar/braune-
parole-mahnmal-2618530.html
8
http://www.hna.de/lokales/witzenhausen/
marschgruppenchef-wusste-ermittlungen-otto-
baumann-vertrat-neonazi-roman-2621616.html
9
HR-Bericht “Wieder Rechtsextremist bei
Reservisten”: http://www.hr-online.de/website/
rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?
key=standard_document_46081275&jmpage=1&typ
e=v&rubrik=36086&jm=1&mediakey=fs/defacto/rec
hte_4268
10
http://www.hna.de/lokales/witzenhausen/
marschgruppe-huertgenwald-wehrt-sich-gegen-
vorwurf-rechtsextremismus-2510808.html
11
HNA-Interview mit Otto Baumann:

12
siehe Fußnote 9
13
magazin defacto: 

14
Die bloße Forderung; „Nazis Raus“; beruht auf
einem allzu bürgerlichen Verständnis von
Antifaschismus, welches letzten Endes ein
besseres Deutschland ohne Nazis fordert und sollte
deshalb ohnehin nicht mehr benutzt werden.