Querdenken – Montagsspaziergänge und rechte Beteiligung

Fast bundesweit haben die Montagsspaziergänge der Querdenken-Bewegung es in den letzten Wochen geschafft eine neue Protestdynamik zu entfalten. In Kassel ziehen wöchentlich mittlerweile etwa 500 „Corona Rebellen“ durch die Stadt, hinzu kommen alle zwei Wochen angemeldete Aufmärsche. Die reaktionäre Stoßrichtung der Bewegung sowie die kollektive Erfahrung des vermeintlichen Widerstands aktiviert dabei auch Personen aus den verschiedenen Spektren der Kasseler Rechten. Einige Personen davon möchten wir im Folgenden kurz vorstellen.

An dem Spaziergang am Montag den 10. Januar, dem bisher vermutlich größten Spaziergang in Kassel, nahm Thomas Haase gemeinsam mit einer Gruppe junger Rechter aus dem Kasseler Umland teil. Thomas Haase ist Aktiver der Kasseler Naziburschenschaft Germania. In der Gruppe war auch Julian Scholz aus Ahnatal-Weimar, der mittlerweile wiederholt als Gast auf dem Haus der Burschenschaft Germania in Wolfsanger zugegen war.

Weiterhin regelmäßig vertreten ist das, was von der Kasseler AfD übriggeblieben ist. So beziehen sich der Kreisverband und die Stadtverordnetenfraktion in ihrer inhaltlichen Arbeit mittlerweile fast ausschließlich auf die Corona-Proteste. Ihre Mitglieder sind zudem regelmäßig auf den Spaziergängen in Kassel und Baunatal anzutreffen und der Kreisverbandssprecher Thomas Schenk feiert sich etwa in den Telegram-Gruppen damit praktischen „Widerstand“ gegen die Maskenpflicht geleistet zu haben – endlich scheint man hier wieder jemand gefunden zu haben der einem auch mal zuhört.

Hartmund Kreckel (rote Jacke) - seit Jahren aktives Mitglied der Kasseler AfD (Quelle: Marco Kemp)

Hartmut Kreckel (rote Jacke) – seit Jahren aktives Mitglied der Kasseler AfD (Bild: Marco Kemp)

Neben der AfD haben es die Spaziergänge geschafft auch Personen aus der klassischen Neonaziszene wieder aus der Versenkung zu holen. So nahm Christian Wenzel wiederholt an den unangemeldeten Spaziergängen statt. Wenzel war in den 1990er Jahren bei Blood & Honour aktiv und in den 2000er zweitweise Kameradschaftsführer in Kassel. Jüngst machte der Neonazi aus Helsa von sich reden, indem er für die AfD im Landkreis Kassel kandidierte. Im Januar 2021 erklärte er noch den Lübcke Mörder Stephan Ernst im Gefägnis besuchen zu wohlen, nachdem er ihm  2019 bereits in einem Brief seine Unterstützung versichert hatte.

Im Kasseler Umland finden ebenfalls in zahlreichen Gemeinden regelmäßige Spaziergänge statt. Diese besitzten eine sehr unterschiedliche Größe, aktivieren hier aber ebenso wie in Kassel lokal ansässige Rechte. In Witzenhausen etwa wurde der Montagsspaziergang durch Otto Baumann angeführt. Der Flügel-Anhänger und Vorsitzende der Reservistenkameradschaft Werra-Gertenbach war bis zu internen Streitigkeiten Sprecher des AfD Kreisverbands Werra-Meißner und vertrat Neonazis des „Freien Widerstand Kassel“ vor Gericht.

Otto Baumann (rechts mit Mütze) Bild: Nico Kuhn

Trotz der durchaus bedenklichen Dynamik einer regelmäßigen Beteiligung rechter Kräfte darf allerdings nicht vergessen werden, dass die ganz normalen Montagsspaziergänger eine mindest ebenso große Gefahr darstellen – davon zeugen nicht zuletzt Angriffe von „Corona Rebellen“ auf Antifaschist*innen bei Spaziergängen in Kassel. Die Bewegung muss in ihrer konformistischen und gemeingefährlichen Rebellion selbst bekämpft werden, nicht nur ihre vermeintliche „Unterwanderung von Rechts“.

Es bleibt daher die Aufgabe durchdachte Aktionsformen gegen diese Bewegung zu finden und sie in ihren Spaltungslinien anzugreifen – ohne sich in den Gegenprotesten dabei einfach in die Verteidigung des Status Quo einzureihen. Denn die Verhältnisse, die Menschen vom Typ eines „Querdenkers“ hervorbringen, verdienen mindestens ebenso unseren Hass wie die montäglichen Spaziergänge.

Jedoch auch die bloße Ablehnung der reaktionären Querdenkerbewegung reicht in unseren Augen nicht aus, ist doch auch die staatlich-kapitalistische Lösung der Coronapandemie zutiefst menschenfeindlich. Allein die globale Impfstoffverteilung und deren Patentfrage zeugen von den Abgründen einer bundesdeutschen Pandemiepolitik in der Profitmaximierung vor Menschenleben steht. Das Einscheren von linken Protesten in die stillschweigende Verteidigung der reaktionären Regierungspolitik ist für uns keine Option.