Nachdem sie die letzten Jahre mit Abwesenheit glänzten, nahmen dieses Jahr wieder Kasseler Neonazis an dem Gedenkaufmarsch zur Bombardierung Dresdens teil. Darunter war mit Nils Wilhelm auch ein langjähriger Kasseler Naziaktivist und Mitglied der Burschenschaften Germania Kassel und Rheinfranken Marburg. Berichtenswert ist: Nils Wilhelm hat ebenfalls Anschluss an die nordhessische AfD gefunden. Damit ist nach Tristan Lessing, Michael Werl und Richard Klock erneut ein Nazibursche bei der regionalen AfD gelandet.
Nils Wilhelm: „Freier Widerstand Kassel“, AfD und Burschenschaften
Nils Wilhelm ist 1989 in Bocholt geboren und seit spätestens Anfang 20 in der nordhessischen Szene aktiv. Er war Teil des „Freien Widerstand Kassel“ und besuchte mit Mitgliedern der mittlerweile aufgelösten Kameradschaft wiederholt Naziveranstaltungen- und Demonstrationen.
Bei der Anfahrt zu einem klandestin organisierten Fackelmarsch 2011 in Gießen wurde er etwa mit den damaligen FWKS- Mitgliedern Mike Sawallich, David Rose und Jörg Hartung kontrolliert. In dem Auto wurde Material der Arischen Bruderschaft des Neonazis Thorsten Heise gefunden. Wilhelm weist wie David Rose eine Nähe zu Thorsten Heise auf, beide nahmen zuletzt 2023 im Block von Heise und der Dortmunder Naziszene am „Trauermarsch“ in Dresden teil.
Nur eine gute Woche vorher nahm Nils Wilhelm als Teil der AfD Kreisverbands Waldeck-Frankenberg an einer Demonstration der Partei im osthessischen Friedewald teil. Bereits seit der Gründung der AfD zeigte sich Wilhelm an den Parteiaktivitäten interessiert. 2013 besuchte er mit Michael Danzer eine AfD Veranstaltung mit Udo Ulfkotte im Hotel Reiss und nahm 2016 an einem Treffen des „Herkules-Kreises“ mit Björn Höcke teil. Der Herkules-Kreis war der kurzzeitige Versuch in Hessen einen Ableger des völkischen „Flügel“ zu initiieren.
Zu diesem Zeitpunkt war Nils Wilhelm bereits Mitglied der Burschenschaft Germania. 2014 nahm er als Delegierter am Burschentag in Eisenach teil. Auch nach Ende seiner Aktivenzeit war er immer wieder auf dem Haus der Germania im Wolfsanger an zu treffen. 2022 besuchte er die Beerdigung seines Bundesbruders Harald Lönnecker, dem verstorbenen Archivar der Deutschen Burschenschaft.
Mittlerweile ist Nils Wilhelm aus Kassel in das Edertal (Grüner Weg 21, 34549 Bergheim) umgezogen und wohnt dort gemeinsam mit Gudrun Hebeler, ehemalige Sprecherin des AfD-Ortsverbands Bad Wildungen, Edertal und Waldeck.
AfD Kreisverband Waldeck-Frankenberg auf „Flügel“-Kurs
Dass Wilhelm lieber außerhalb Kassels wohnt und im Kreisverband Waldeck-Frankenberg aktiv geworden ist, überrascht nicht. Mit dem Bundestagsabgeordneten Jan Nolte und dem Fraktionsvorsitzenden Stefan Ginder hat der Verband zwei prominente Rechtsaußen-Vertreter.
Stefan Ginder unterzeichnete 2015 die „Erfurter Resolution“, die inoffizielle Gründungserklärung des völkischen „Flügel“ innerhalb der AfD. Mit seinem „Team Ginder“ betreibt er, in Anlehnung an den rassistischen Verein „Zukunft Heimat“ aus Cottbus, eine eigene Internetseite unter dem Namen „Waldecker Land: Zukunft Heimat“. Mit reißerischen Titeln und schlecht produzierten Kurzvideos wird versucht Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Zum „Tag der Befreiung“ etwa wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem über den „Völkermord an den Deutschen“ nach Kriegsende sowie die Beraubung Deutschlands um „ein Drittel seines Landes“ getrauert wird. Auch 77 Jahre später habe Deutschland noch keinen „Friedensvertrag“ und nur ein „von Ausländern eingeführtes ‚Grundgesetz’“. Das „Politikpersonal“ werde noch von den „gleichen Organisationen gelenkt, die einst die Vernichtung Deutschlands anstrebten“.
Nach eigener Aussage ist Ginders große Leidenschaft das Schützenwesen. Er ist Vorsitzender der traditionalistischen Schützengesellschaft (SG) 1749 Waldeck, deren Vorstand ausschließlich aus Mitgliedern der AfD Waldeck-Frankenberg besteht. Mit seiner Frau Evylen Ginder wohnt er in Sachsenhausen (Rosenstraße 4, 34513 Waldeck) und betreibt gemeinsam eine Agentur der Württembergischen Versicherung.
Für die kommenden Landtagswahlen plant Stefan Ginder gemeinsam mit Yvonne Venticinque (vorher: Yvonne Effenberger, geb. Westermann) als Direktkandidat anzutreten. Yvonne Venticinque gründete und arbeitet bei dem „Sozialbüro Effenberger“, einem ambulanten Träger für das betreute Wohnen von Menschen mit Behinderungen, der nach Selbstaussage für „Toleranz und Vielfalt“ steht. Zur Feier des 10-Jährigen Jubiläum des „Sozialbüro Effenberger“ waren mehrere AfD-Aktivistinnen und Aktivisten anwesend, darunter das Ehepaar Stefan und Evelyn Ginder.
Ein Zeichen dafür, dass sich der „Flügel“-Kurs Ginders im Kreisverband mittlerweile durchgesetzt hat, ist der jüngste Parteiaustritt der rechtskonservativen Landtagsabgeordnete Claudia Papst-Dippel und ihres Manns Hakola Dippel. Claudia Papst-Dippel ist von ihren Funktionen zurückgetreten und bleibt im hessischen Landtag zukünftig fraktionslos. Hakola Dippel dagegen hat in Volkmarsen eine neue Fraktion mit dem Namen „Fraktion für Volkmarsen“ gegründet.
Dass die AfD in Waldeck quasi einen eigenen Schützenverein betreibt, eine der zukünftigen AfD Direktkandiaten bei einem sozialen Träger für „Vielfalt und Toleranz“ arbeitet und mit Nils Wilhelm ein Neonazi im Kreisverband aktiv ist, zeigt die Verankerung extrem rechter Positionen im westlichen Nordhessen. Mit diesem Beitrag wollen wir über den Weg eines weiteren Kasseler Nazis in die AfD aufklären und denen Informationen an die Hand geben, die sich vor Ort daran stören.
In einer früheren Version des Artikels stand, dass es sich bei Gudrun Hebeler um die Sprecherin des AfD-Ortsverbands Bad Wildungen, Edertal, Waldeck handelt. Mittlerweile soll Gudrun Hebeler jedoch ihr Amt niedergelegt haben sowie aus der AfD ausgetreten sein.