Bernd Tödter und „Sturm 18“

Aus dem Jahresbericht 2019

Für viele ist der Name Bernd Tödter bekannt, da dieser in verschiedenen extrem rechten Kameradschaften und Gruppen auftauchte. Er ist jedoch ebenfalls für seine Gewaltbereitschaft namenhaft, aufgrund derer er als gefährliche Person einzuschätzen ist.

Gruppenfoto „Aryan Circle“, Bernd Tödter in der Mitte

Gruppenfoto „Aryan Circle“, Bernd Tödter in der Mitte

1993 prügelte Tödter mit einem Kameraden einen wohnungslosen Menschen zu Tode und erhielt dafür eine Haftstrafe. Bei einer Hausdurchsuchung 2000 wurde in seiner Wohnung ein Waffenarsenal festgestellt. 2006 griff Tödter eine kurdische Familie an, wofür er zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde. Für die Vergewaltigung eines 17jährigen Mädchens wurde Tödter 2010 angeklagt und landete in Untersuchungshaft. Wegen Bedrohung und Beleidigung erhielt er 2011 weitere zehn Monate Haftstrafe. 2012 ließ das Landgericht Kassel ein Verfahren wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen fallen. 2014 kam er wieder wegen des Vorwurfes der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen in Untersuchungshaft, nachdem er seiner schwangeren Freundin mehrmals ins Gesicht und Bauch geschlagen hatte. Darüber hinaus soll er zwei Frauen, die in seiner NeonaziGruppe aktiv waren, beauftragt haben, eine 16-Jährige zu misshandeln. Er erhielt dafür eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. 2016 wurde er wegen Nötigung und schwerer Körperverletzung zu weiteren zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er und weitere Kamerad*innen hatten eine Person aus ihrem Umfeld eine Woche lang in einer Wohnung festgehalten und schwer misshandelt, nachdem diese sich weigerte, „Sturm 18“ beizutreten.

Nachdem Bernd Tödter seine letzte Haftstrafe abgesessen hatte und Ende Juni 2019 entlassen wurde, gründete er 16 Tage nach seiner Haftentlassung die neonazistische Kameradschaft „Aryan Circle Germany“. Am 5. Juli 2019 kündigte er dies auf dem administrativ von ihm verwalteten Blog von „Aryan Circle“ an. Des Weiteren schrieb er eine interne Rundnachricht an Kamerad*innen, in welcher er deutlich machte, dass die Kameradschaft „Aryan Circle“ in der Tradition von „Sturm 18“ stehe.

Der Name „Aryan Circle“ hat seinen Ursprung in einer 1980 gegründeten, USamerikanischen Straßen und Gefängnisgang. Der gehören schätzungsweise 1400 Rechte aus verschiedenen US-Staaten an. Der „Aryan Circle“ wurde in Texas gegründet und gilt als Alternative zur „Aryan Brotherhood“. Kriminelle Aktivitäten wie Drogenhandel und Waffenschmuggel gehören zum alltäglichen Geschäft, jedoch auch Gewaltdelikte und Mord. Betroffene dieser Gewaltverbrechen sind vor allem People of Color, Transgender und homosexuelle Personen, spanischsprechende Menschen und Personen, die in Verdacht stehen, die Kameradschaft zu verlassen oder Verrat an dieser zu begehen.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Tödter die Autorisierung der Kamerad*innen in den USA für die Gründung des Ablegers in Deutschland erhalten hat. Die Vermutung liegt nahe, dass er den etablierten Namen nutzt, um seiner Struktur den Anschein eines organisatorischen Potenzials zu geben und natürlich um von dem etablierten Ruf der Gang in den USA zu profitieren.Tödter ist demnach vermutlich nicht mit den Kamerad*innen des amerikanischen „Aryan Circle“ vernetzt, sondern klaut lediglich deren Ruf und bedient sich deren Bekanntheit.

Das Emblem des amerikanischen „Aryan Circle“ besteht aus einem Hakenkreuz und einer SS-Rune. Das von Tödter für den Aufbau seiner Struktur genutzte Symbol weicht davon stark ab. Der „Aryan Circle Germany“ verwendet ein germanisches Symbol, den sogenannten „Wotansknoten“, der aus drei ineinander verschlungenen Dreiecken besteht. Das von Tödter modifizierte Logo der deutschen Kameradschaft hat er auf TShirts drucken lassen, um durch Uniformierung (Shirt, Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel) die Gruppenzugehörigkeit nach außen zu zeigen und gleichzeitig den inneren Zusammenhalt zu stärken. Neben der Sektion in Bad Segeberg sollen sich laut eigener Angaben in einer geschlossenen Facebookgruppe noch weitere Sektionen in Hildesheim, Kassel, Dortmund und Wuppertal gegründet haben.

In dieser Facebook Gruppe sind 35 Mitglieder aktiv. Tödter erstellte die Gruppe, moderiert wird sie von dem Kassler Neonazi Sascha Reuse, Jan Borkowiakaus Bönen und Tobias Finger aus Lübeck. Sascha Reuse ist bereits seit einigen Jahren treuer Wegbegleiter von Tödter. Er gehörte damals ebenfalls „Sturm 18“ an und machte sich einen Namen als Handlanger von Tödter. Neben der Facebookgruppe gibt es ein Forum, welches über aryancircle.de und aryancircle.com zu erreichen ist. 48 Neonazis registrierten sich dort. Unter ihnen auch Jessica Slawik aus Cuxhaven (ehemals Kassel) und Thorsten Kupzok aus Kassel. Dieser war bei Treffen von „Sturm 18“ dabei und übernahm eine gewisse Zeit lang dessen Führung. Darüber hinaus versuchte er eine Moschee anzuzünden und posierte auf diversen Fotos mit Waffen.

Eine weitere interessante Person ist Walter Dickel, der sich im Forum hinter dem Pseudonym „Druide“ verbirgt. Dieser sagte 2012 gegen Bernd Tödter und „Sturm 18“ aus und stellte der Kriminalpolizei sämtliche Informationen sowie Daten zur Verfügung. Fraglich ist in diesem Fall, ob Tödter von der Aussage weiß und was genau die Absichten von Dickel sind.In dem Forum sind verschiedene Rubriken wie zum Beispiel „Recht & Gesetz“ oder auch „Anti-Antifa-Bereich“ zu finden. Unter dem Begriff „Anti-Antifa“ werden Informationen zu linken Strukturen gesammelt, darunter auch private Adressen. Die Adressen stammen hauptsächlich aus einem Hacker-Angriff auf den Onlineshop „Impact-Mailorder“ im Jahre 2015. Die zum Teil veralteten Datensätze sind innerhalb der extrem Rechten weit verbreitet und werden regelmäßig auf rechten Plattformen fälschlicherweise als „Antifa-Listen“ online gestellt. Es handelt sich bei den „Impact Adressen“ allerdings nicht nur um Daten von Antifaschist*innen oder Linken.

Der Informationsaustausch und die bundesweite Vernetzung stehen in diesem Forum im Vordergrund. Im Frühjahr 2020 kam es in diesem Zusammenhang zu mehreren Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern in verschiedenen Bundesländern.Seit der Haftentlassung von Tödter kommt es in Bad Segeberg vermehrt zu Aktivitäten des „Aryan Circle“. Neben Stickern, oftmals an Türen von PoC oder Menschen, deren Namen nicht als deutsch bewertet werden, fanden durch die Kameradschaft Ende des Jahres 2019 mehrere körperliche Angriffe auf Menschen statt.

Interessant ist hierbei, dass der angeblich ausgestiegene Kasseler Neonazi René Sparbier bei einem Angriff des „Aryan Circle“ auf einen Kameraden ebenfalls involviert war. Darüber hinaus versucht Tödter in Bad Segeberg vor allem junge Menschen, beispielsweise Schüler*innen, anzusprechen und für seine extrem rechten Strukturen zu rekrutieren. In Kassel tauchten ebenfalls vermehrt Sticker auf, vor allem in der Nordstadt. Kurz darauf wurde Bernd Tödter in der Stadt gesichtet – ebenfalls hauptsächlich in der Nord und Innenstadt. Jedoch konnte sich Tödter nicht ohne Polizeibegleitung in der Stadt bewegen. Selbst während er sich bei seinem mutmaßlichen Gastgeber Walter Dickel aufhielt, war er unter steter Beobachtung. Nachdem Tödter die Stadt wieder verließ, tauchten keine weiteren Sticker mehr auf. Es scheint so, als ob der „Aryan Circle“, zumindest in Kassel, seine Aktivitäten vor allem in einer Person bündelt – Bernd Tödter.

Aufgrund dessen schätzen wir die Kameradschaft des „Aryan Circle“ in Kassel bisher als weniger gefährlich ein, sofern Bernd Tödter nicht in der Stadt ist. In Bad Segeberg zeigt sich durch die Angriffe, dass sich durch die Federführung von Tödter die Situation schlagartig ändern kann und Menschen bedroht und angegriffen werden. Bernd Tödter zeigt sich als Macher, der weniger durch seine Geistesgröße auffällt als durch seine brutalen Angriffe. Erkennbar wird ebenfalls, dass er als notorischer Gruppen bzw. Kameradschaftsgründer gilt, diese jedoch nur aktiv sind, sofern sich Tödter in der Stadt aufhält und nicht in Haft sitzt. In klandestinen Gruppierungen und Strukturen wie zum Beispiel „Combat 18“ findet Tödter keinen Anschluss. Zum einen steht ihm hierfür sein öffentlicher Auftritt und das Rumhängen an öffentlichen, bekannten Plätzen in Kassel im Weg. Zum Anderen wird ein Anknüpfen an klandestine Strukturen durch seine große Leidenschaft zum Alkohol gehindert. Jedoch ist und bleibt Bernd Tödter ein gefährlicher Neonazi, den wahrscheinlich sogar Thomas de Maizière als solchen bezeichnen und erkennen würde.

Bernd Tödter

Bernd Tödter stammt aus Bad Segeberg (Schleswig Holstein). Er wurde dort am 1. Oktober 1974 geboren. Seit Ende der 90er Jahre ist er in verschiedenen Kameradschaften und Gruppen aktiv (in Kassel z.B. mit Stanley Röske und Michel Friedrich bei Sturm 18). Im Jahr 1993 tötete er einen Menschen. Seitdem saß Bernd Tödter mehrfach wegen Körperverletzungen im Knast. Im Sommer 2019 wurde er aus seiner letzten Haftstrafe entlassen und tauchte wieder im Kassler Stadtbild auf. Bernd Tödter ist seit Jahren aktiv, vor allem wenn es darum geht, immer wieder neue Gruppen und Kameradschaften zu gründen. Nach seiner Haftentlassung gründete er den vermeintlich deutschen „Aryan Circle“ Ableger. Kurze Zeit später zog er zurück in seine Heimatstadt Bad Segeberg und tritt dort mit seiner neu gegründeten Kameradschaft aggressiv in der Öffentlichkeit auf. People of Color und Antifaschist*innen werden in Bad Segeberg und Umkreis durch den „Aryan Circle“ bedroht, sowie auch körperlich angegriffen.