Es ist notwendig, dass wir uns nochmal zu dem Artikel „Verleumdung gegen Kasseler AfD-Politiker: Nazi-Dialoge waren gefälscht” vom 27.10.2017 in der HNA äußern. In dem besagten Artikel wird uns vorgeworfen, die Chatverläufe zwischen Michael Werl und Lars Seyfarth, die von uns am 13.02.2017 veröffentlicht wurden, gefälscht zu haben. Als Beleg für diese Behauptung wird von der Autorin des Artikels, Ulrike Pflüger-Scherb, ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel aufgeführt.
In einer kurzen Pressemitteilung vom 31.10.2017 haben wir die dort gegen uns erhobenen Vorwürfe bereits zurückgewiesen. In diesem Text wollen wir nun ausführlich auf die Berichterstattung der HNA eingehen und zeigen, wie sich die Zeitung immer wieder zur willfährigen Gehilfin der Alternative für Deutschland macht. Im zweiten Teil, der zu einem späteren Zeitpunkt erscheinen wird, tragen wir nochmal einige Informationen zur Person Michael Werl zusammen. Dies ist notwendig, da der rechtsradikale Background Werls nach wie vor ausgeblendet und keine Berücksichtigung in der Berichterstattung findet.
Vorgeschichte – Worum es geht
Am 13. Februar diesen Jahres veröffentlichten wir auf unserer Website einen Beitrag über Michael Werl, den AfD-Fraktionsvorsitzenden der Kasseler Stadtverordnetenversammlung. Darin machten wir bis dato private Chatverläufe zwischen Michael Werl und Lars Seyfarth, einem Neonazi aus Pforzheim, öffentlich. Zwei Tage später erscheint ein anonymer Artikel auf linksunten.indymedia, in dem ähnliche Screenshots eine angebliche Unterhaltung zwischen Florian Kohlweg, Mitglied des Kreisvorstands der AfD Kassel und dem Neonazi Marcel Wruck zeigen. Mindestens drei der oben genannten Personen stellen Strafanzeige, der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf. Bis zur Einstellung des Verfahren durften sich beide belasteten AfD-Funktionäre mit Bild der eigenen Person in der HNA erneut in Szene setzen und sich “zur Sache” äußern. Kein einziges Mal wird auf die erhobenen Vorwüfe eingegangen. Nach der Einstellung des Verfahrens erscheint schließlich der eingangs genannte Artikel in der HNA. Bereits im ersten Satz wird der Eindruck erweckt, es handle sich bei den Veröffentlichungen über Michael Werl und jenen über Florian Kohlweg um ein und den selben Sachverhalt. Dazu äußern können sich in dem Artikel von Ulrike Pflüger-Scherb und Andreas Hermann erneut nur die beiden AfD-Funktionäre Werl und Kohlweg. Weder wurden wir als Urheberin nach einer Stellungnahme zur der Sache angefragt, noch finden sich in dem Artikel andere Positionen, als die der beiden belasteten AfD-Funktionsträger wieder. Am 16. Februar erscheint ein Artikel in der Frankfurter Rundschau, der unsere Veröffentlichung ebenfalls aufgreift. Dass Werl und Seyfarth auf Facebook in Kontakt standen, kann nun auch die FR bestätigen. Die Fraktion der Kasseler Linken positioniert sich anlässlich der von uns
veröffentlichten Chatverläufe erneut eindeutig gegen die AfD in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung. Selbst die Kasseler SPD äußerte sich empört über die Erkenntnisse zur Person Werl und forderte Erklärung. Am 10. November erscheint erneut ein Artikel in der Frankfurter Rundschau. Auch hier wird die vermeintliche Erkenntnis der Staatsanwaltschaft, es handele sich bei unseren Veröffentlichungen um eine Fälschung, in Zweifel gezogen. Weiterhin wird auch dort auf eine „merkwürdige Berichterstattung der HNA” verwiesen.
Am 27. November, genau einen Monat nach dem tendenziösen Artikel in der HNA, veröffentlicht die Fraktion der Kasseler Linken einen Faktencheck zur Sache. Darin wird gefordert, „die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft müssen transparent und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“. Auch hier wird harsche Kritik am Artikel von Ulrike Pflüger-Scherb geübt, und im gleichen Zug eine Beschwerde beim deutschen Presserat eingereicht. Es gibt also Gegenwind aus verschiedenen Richtungen, was wir ausdrücklich begrüßen.
Statt eine Debatte über die Verstrickung Michael Werls in rechtsradikale Zusammenhänge zu führen, beispielsweise der Burschenschaft Germania, die er nicht mal abstreitet, belässt es die HNA dabei immer wieder zu betonen, dass es sich bei unserer Veröffentlichung angeblich um eine Fälschung handelt. Die einzigen Argumente:
- Die Aussagen der beiden belasteten AfD-Funktionäre Werl und Kohlweg
- Ein ominöses Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel
Aus dem Schreiben zieht Frau Pflüger-Scherbscheinbar kein einziges Zitat; genauer betrachtet meint sie lediglich die Einstellung des Verfahrens. Die Einstellung, welche nach aktueller Kenntnislage darauf fußt, dass die Personen, welche für die Veröffentlichungen verantwortlich sind, nicht namhaft gemacht werden können.
Die Rolle der HNA
Die HNA hat in Kassel das regionale Meinungsmonopol. Zwar bietet jeder Kiosk eine ganze Bandbreite an Printmedien an, jedoch existiert mit der HNA nur eine einzige nennenswerte Lokalzeitung im Raum Kassel. Werden Ereignisse in Kassel nicht aufgrund ihres besonderen Nachrichtenwertes von überregionalen Medien aufgegriffen, bleibt die Berichterstattung oft auf jene in der HNA beschränkt. Daraus ergibt sich eine Machtposition. Was nicht in der HNA steht, ist nicht passiert und was wiederum in der HNA steht, wird schon so seine Richtigkeit haben. Es gibt keine weitere lokale Tageszeitung die zur Meinungsbildung über bestimmte Ereignisse herangezogen werden könnte.
So verhielt es sich auch mit unserer Veröffentlichung über Michael Werl. Die HNA unternahm den Versuch, mit fadenscheinigen Beweisen massiv unsere erarbeitete Glaubwürdigkeit anzugreifen. Das ist keineswegs ein Einzelfall. So darf sich beispielsweise ausgerechnet der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Werl exklusiv in der Printausgabe zum Brennpunkt Jägerstraße äußern. Immer wieder wird die AfD von der HNA hofiert, ihr auffallend viel Raum für Kommentare gegeben.
Von Seiten der HNA mag man uns jetzt vorwerfen, nicht anzuerkennen, dass auch hin und wieder kritisch über die AfD berichtet werden würde. Als Beispiel könnte dafür der Fall von Dieter Gratzer dienen, der nach Enthüllungen in der HNA, die man schon fast investigativ nennen könnte, schließlich sein Amt niederlegte. Dabei setzten sich die verantwortlichen Redakteur*innen der HNA jedoch nicht mit den eigentlichen Inhalten der AfD auseinander sondern machten zum Skandal, dass Gratzer seine deutschen Mieter vergraulen wollte, um mit der Vermietung seiner Wohnungen an Geflüchtete mehr Geld zu verdienen. Angeprangert wurde also nicht die rassistische Politik der AfD, sondern die Versuche eines AfD-Funktionärs sich entgegen der eigenen Grundsätze an Geflüchteten zu bereichern. Man könnte meinen, dass die AfD getrost in Kassel auf Verteilung ihrer Fraktionszeitung „Kasseler Durchblick“ durch die Deutsche Post verzichten könnte, da die HNA ohnehin als ihr Sprachrohr anbietet.
Veröffentlichung Kohlweg
Normalerweise liegt es nicht in unserem Interesse, uns zu irgendwelchen anonymen Veröffentlichungen auf linksunten.indymedia.org zu äußern. Aufgrund der Anschuldigungen gegen uns, wollen wir an dieser Stelle zumindest nochmal festhalten, dass wir nicht Urheberin der dort veröffentlichten Screenshots von Kohlweg sind. Das Konzept von indymedia sieht es vor, dass jede*r, ohne vorher einen Account anlegen zu müssen, dort Beiträge veröffentlichen kann. So können Personen mit sensiblen Informationen an die Öffentlichkeit gehen oder Artikel zu heiklen Themen verfassen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Andererseits war es auch möglich, einen Account bei linksunten.indymedia.org anzulegen, um so versichern zu können, dass ein bestimmter Beitrag auch wirklich von einer bestimmten Gruppe stammt. Auch wir hatten ein Benutzerkonto bei linksunten, mit dem wir regelmäßig dort Artikel veröffentlicht haben. Einen Verweis zu unseren Artikeln gab es bis zur Zensur der Nachrichtenplattform durch das Innenministerum auf unserer Website.
Zurück zu Kohlweg: Der Artikel mit den Screenshots von Kohlweg war nun ganz offensichtlich nicht mit unserem Account dort hochgeladen worden. Warum sollten wir die Screenshots von Werl auf unserer Website und unter unserem Namen veröffentlichen, die von Kohlweg hingegen nicht? Wir werden an dieser Stelle nicht über die Urheber*innen dieses Artikels spekulieren. Klar sollte jedoch sein, dass es sich bei der Veröffentlichung der Werl-Chats durch uns und den anonymen linksunten-Artikel über Kohlweg um zwei gänzlich verschiedene Sachverhalte handelt.
Dass beide Veröffentlichungen sowohl von der AfD als auch der HNA, als ein und das selbe dargestellt werden, ist wahrscheinlich weniger der Unkenntnis geschuldet, sondern als Schützenhilfe für die Kasseler Alternative für Deutschland zu bewerten. So lenkt es eigentlich nur von den Umtrieben Michael Werls ab.
Das Schreiben der Staatsanwaltschaft
In dem besagten Artikel der HNA vom 27. Oktober 2017 wird der Eindruck erweckt, es gäbe Beweise seitens der Staatsanwaltschaft dafür, dass wir den Chatverlauf zwischen Werl und Seyfarth gefälscht hätten. Dort hieß es schon in der Überschrift: “Nazi-Dialoge waren gefälscht” und “Diese Internetprotokolle waren gefälscht.” Das gehe aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel hervor, heißt es in der HNA. Zitiert wird daraus allerdings nicht und auch sonst erfahren die Leser*innen wenig über die Hintergründe, über die Ermittlungen gar nichts.
Unsere in einer Pressemitteilung vorgetragene Forderung, die angebliche Beweislast transparent zu machen, wurde von der HNA nicht aufgegriffen. Die Autorin des Artikels Ulrike Pflüger-Scherb möchte sich auf Anfrage der Frankfurter Rundschau ebenfalls nicht zur Sache äußern. So heißt es in dem Artikel vom 10. November „warum die HNA das zu Gunsten der Rechtspopulisten derart verzerrte, bleibt offen. Die Verfasserin des Artikels wollte sich auf Anfrage der FR nicht äußern”. Bereits kurze Zeit später liegt uns das Schreiben der Staatsanwaltschaft Kassel vor, in dem die Einstellung genau dieses Verfahrens festgestellt und begründet wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um das selbe Dokument, auf das sich auch in der HNA bezogen wird. Dass besagter Chatverlauf eindeutig eine Fälschung sei, geht aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft allerdings nicht hervor. Dort heißt es lediglich, dass Werl sowie Seyfarth angaben, die Unterhaltung zwischen den beiden habe so nicht stattgefunden und beteuerten, es würde sich um eine Fälschung handeln. Die Befragung der beiden Beteiligten scheint also –unserem Kenntnisstand nach – die einzige Bemühung gewesen zu sein, die Echtheit der Chatverläufe zu überprüfen. Eingestellt wurde das Verfahren schließlich, da die für den Veröffentlichten Beitrag auf unsere Website verantwortlichen Personen, nicht ermittelt werden konnten. Nicht etwa durch irgendeinen Sachverständigen der die Fälschung der Screenshots belegt hätte oder dergleichen. In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Dass die beiden Protagonisten alles abstreiten, überrascht uns nicht. Dass die Staatsanwaltschaft den Aussagen zweier AfD-Funktionäre mehr glauben schenkt als dem belastenden Material einer anonymen Antifa-Gruppe ist leider auch wenig überraschend. Verlassen können wir uns nur auf eine starke und konsequente antifaschistische Öffentlichkeit und die Solidarität unserer Genoss*innen und Bündnispartner. Bemerkenswert ist allerdings, dass in der HNA der Sachverhalt so dargestellt wird, als hätten die Ermittlungen irgendwelche “Beweise” zu Tage gefördert, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Werl-Protokolle gefälscht seien.
Außerdem ist dem Bescheid der Staatsanwaltschaft zu entnehmen, dass ein Schreiben in unserem Namen an die AfD Kassel geschickt wurde, in dem es heißt, unsere Veröffentlichung über Werl sei “politisch motiviert” und gefälscht. Selbst die ermittelnde Polizei kam jedoch zu dem Ergebnis, dass wir nicht Urheberin dieser Mail sind. Dazu war wohl keine große Detektivarbeit notwendig, wurde die Mail doch nicht von unserer offiziellen Mailadresse aus abgeschickt, wie wir es für unsere Korrespondenz für gewöhnlich zu tun pflegen.
Da nun in den letzten Monaten im Bezug auf unsere Veröffentlichung vor allem darüber sinniert wurde, ob wir die Screenshots gefälscht hätten oder nicht, werden wir in naher Zukunft einen zweiten Artikel über Michael Werl veröffentlichen.
task – Antifaschistische Gruppe aus Kassel
Informationen von uns gibt es über folgende Kanäle:
task.noblogs.org
twitter.com/antifa_info_ks