Der Großaufmarsch der Querdenker*innen in Kassel am 20. März war bundesweit in der Presse und hat für zahlreiche Skandale gesorgt. Warum sich der Aufmarsch überhaupt in dieser Art und Weise vollziehen konnte, warum die paar eingesetzten Bullen mit großer Brutalität gegen Blockierer*innen vorgegangen sind, darüber wird auch in den kommenden Wochen noch viel diskutiert werden. Wir wollen mit einer kurzen Einschätzung über die Beteiligung des rechten Spektrums beim Aufmarsch am 20. März in Kassel dazu beitragen, die Geschehnisse aus antifaschistischer Perspektive bewerten zu können.
Der folgende Beitrag wird laufend ergänzt. Stand: 18. April
Nach der Mobilisierung der Querdenker konnte mindestens seit der letzten Woche vor dem Aufmarsch davon ausgegangen werden, dass die Versammlung in Kassel sehr groß wird, waren doch auch antifaschistischen Gruppen davon überrascht dass die Teilnehmer*innenzahl schließlich sogar die angemeldeten 17.500 noch übertroffen hat. Es stellte sich dann aber wie erwartet heraus, dass Akteure der organisierten Rechten tatsächlich in der Minderheit waren.
Neonazis
Neonazis waren an dem Tag sowohl bei den angemeldeten Kundgebungen sowie in der Innenstadt eher vereinzelt anzutreffen. Gesichtet wurde der militante Neonazi Leon Ringl aus Eisenach, der am Nachmittag alleine in eine Polizeimaßnahme in der Unterneustadt geriet.
Auch der Marburger Heinrich Mahling, Mitglied der Burschenschaft Germania Marburg und Regionalleiter der Identitären Bewegung Hessen, war anwesend.
Außerdem reiste der Neonazi und Antisemit Sven Liebich aus Halle (Saale) an.
Weiter waren Aktivisten des III. Weges und der NPD vor Ort.
Beispielsweise führte der Vorsitzende des NPD Bezirksverbands Osthessen und NPD Landesvorstandsmitglied Martin Kohlhepp einen Demozug der Querdenker an. In seiner Reisegruppe befand sich auch der osthessische NPD Aktivist Timon Nebenführ in Szenekleidung.
Aus Saarbrücken reiste Jaqueline Süßdorf, prominente NPD Aktivistin der NPD Saar an. Die ehemalige Wirtin war mehrfach wegen Volksverhetzung vor Gericht.
In Kassel nahmen auch die völkischen Neonazis Gerd Ulrich und Anna-Maria Ulrich aus Detmold-Berlebeck teil. Sie waren bis zu den Verboten leitende Mitglieder der „Wiking-Jugend“ und „Heimattreuen Deutschen Jugend“, auch heute noch finden neonazistische Schulungsveranstaltungen auf ihrem Grundstück statt. Sie haben Kontakte zu Jürgern Riegers völkischer Gruppe „Artgemeinschaft“. Weiterhin haben sie Kontakte in das in Kassel ansässige neonazistische Thule-Seminar.
Marc Tim Mehr, Aktivist aus dem Raum Aachen, attackierte Gegendemonstrant*innen, und kommt ebenfalls aus der Neonaziszene, wo er für die Neonazi-Partei „Die Rechte Aachen/Heinsberg“ aktiv war.
Der rechte Aktivist Marco Kurz aus der Pfalz, Gründer des rechten „Frauen“bündnis Kandel, attackierte in Kassel mit Schlägen und Tritten Gegendemonstrierende. Kurz darauf schlug er einen freien Fotografen nieder. Auch er stand schon vor Gericht wegen Bedrohung von politischen Gegnern.
Einige weitere, bisher unbekannte Personen ließen durch Szenekleidung den Rückschluss zu, dass es sich bei ihnen um Neonazis handelt.
Alternative für Deutschland Kassel
Von der Kasseler AfD nahmen mindestens Michael Moses-Meil, Sven Dreyer, Thomas Schenk, Volker Scheld, Sybille Johst und Norbert Hansmann an dem Aufmarsch teil. In der Menschenmenge waren immer wieder mal Personen mit Plakaten oder Schildern der AfD zu sehen. AfD-Anhänger und Funktionäre fühlten sich auf der Demonstration offensichtlich willkommen und wurden mindestens geduldet, obwohl im Laufe des Tages die Parteilogos abgeklebt werden sollten. Auch weitere Personen, die von der „Frauenmahnwache“ der AfD in Kassel bekannt sind, nahmen an dem Aufzug teil.
Anders als beispielsweise beim Querdenken-Aufmarsch in Leipzig war auch in Kassel keine größere Personengruppe aus dem rechten Hooliganmilieu wahrnehmbar. Aus Kassel selbst waren hier nur einige wenige Personen, die aus dem Umfeld der Fanszene des KSV Hessen Kassel bekannt sind, unter den Teilnehmer*innen.
Dass es die gewalterfahrenen Milieus nicht zwangsläufig braucht, um eine Polizeikette zu durchbrechen oder die körperliche Konfrontation mit Gegendemonstrant*innen zu suchen, haben die durchschnittlichen Querdenker*innen allerdings in Kassel eindeutig bewiesen.
Hinweise über die Identität von Personen des rechten Spektrums, die am Aufmarsch am 20. März in Kassel teilgenommen haben, über Personen, die sich als Aggressoren gegenüber Gegendemonstrant*innen hervor getan haben oder die als Drahtzieher vor Ort dafür verantwortlich sind, was am 20. März in Kassel los war, erreichen uns per Mail an task@riseup.net
Links zu öffentlich einsehbaren Fotogalerien:
Stand 18. April 2021